Wiedergabe eines Interviews, das die Sustainable Data Platform zum Thema “Datenbasierte Klimastrategie” mit Dr. Ernst Fleischhacker geführt hat:
Sustainable Data Platform:
Herr Dr. Fleischhacker, die Statusberichte zur Umsetzung der Tiroler Energiestrategie werden seit 2011 auf Basis einer von Ihnen entwickelten Methodik erstellt. Wie hilft Ihre Methodik, um in Tirol Top-down und Bottom-up Ansätze zur Erzielung der Zielkonvergenz zusammenzubringen?
Antwort:
Strategie braucht ein gemeinsames Ziel. In unserem Fall ist dieses mit den drei Worten “Tirol 2050 energieautonom” definiert. Um die Zielkonvergenz herzustellen, greifen Maßnahmen, Projekte und unabhängiges Feedback im Sinne von belastbaren objektivierten Daten ineinander. Dazu gibt es bei uns seit 2011 ein strategiebegleitendes Monitoring, dessen Jahresberichte auf der Landeshomepage für jedermann abrufbar sind. Zentrales Element ist eine Summengrafik über die Energiebedarfsdeckung, aus der die bisherige Entwicklung seit Beginn des Energiezeitalters, der Stand des Erreichten und die möglichen Zielpfade bis zum Jahr 2050 ablesbar sind.
Von 2011 bis 2014 dienten mir die Monitoring-Daten bei der Entwicklung eines “Klima-, Energie- und Ressourcen-Strategie-Programms”, dessen Ergebnisse in das Regierungsprogramm und die Verbreitungsstrategie eingeflossen sind. Top-down wurden die Maßnahmen und Projekte z.B. mit Zuschussprogrammen bedacht und Bottom-up wurde z.B. von der Landesinstitution “Energie Tirol” ein Bewusstseinsbildungs- und Bürgerbeteiligungsprozess eingeleitet.
In dieser Phase hat sich für mich herausgestellt, dass weder die öffentliche Hand noch die private Wirtschaft den für die Zielkonvergenz notwendigen dramatischen Umbau des Energiesystems in die Wege leiten können. Um das Ziel im Auge zu behalten und Nachfragende beim Umbau ihres Energiesystems auf Klimaneutralität und Autonomie zu unterstützen haben wir das Startup FEN Systems und das Green Energy Center Europe gegründet. Unser faktenbasiertes Vorgehen bei Entwicklung und Ausbildung ermöglicht uns auf vielen Ebenen Akteure zu unterstützen und in die „Zielkonvergenz-Arbeit“ einzubinden.
Auf die Jahresergebnisse des Energie-Monitorings blicken wir gespannt. Sie ermöglichen uns über die Arbeit vorhandener Institutionen und Unternehmen hinaus schwierige Themen anzugehen und notwendige Projekte wie z.B. die Optimierung der “Power on Demand”- und “Power to Hydrogen”-Prozesse umzusetzen.
Sustainable Data Platform:
Eine erfolgreiche Energiestrategie hängt von vielen Faktoren ab. Welchen Stellenwert hat unabhängiges Feedback, um bei verschärften Anforderungen und verrinnender Zeit noch Ressourcen- und Klimaschutzziele einzuhalten?
Antwort:
Die Öffentliche Hand hat 2019 mit Hilfe des Feedbacks die erste einschneidende Kurskorrektur im Bereich der Zielpfade durchgeführt: Das Ziel für die Energieeinsparung wurde von -50% auf -37 % reduziert. Im Gegenzug wurde die Nutzung unserer sauberen Ressourcen Wasser, Sonne und Wind forciert, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Diese Top-down Entscheidung hat natürlich auch große Auswirkungen auf die Bottom-up Prozesse, in dem der Einzelne rechtliche und finanzielle Mittel an die Hand bekommt, um beispielsweise verstärkt PV-Anlagen zu montieren.
Dass der CO2 Zielpfad jedoch bislang nicht erreicht werden konnte liegt in der Trägheit des Substitutionsprozesses von Öl, Gas und Kohle. Mehr als 1/4 der Zeit für die Zielerreichung, die anfangs als viel zu lange kritisiert wurde, ist bereits verstrichen. Die ersten Top-down-Verantwortungsträger gibt es nicht mehr und die Monitoring Daten zeigen, dass man sich Jahr für Jahr schwerer tut, die Zielerreichungspfade mit geeigneten Maßnahmen zu hinterlegen und darzustellen.
Unabhängiges Feedback ist besonders jetzt entscheidend, wo bei steigendem Druck mächtige Interessensträger, Dogmatiker und „Hyper“ mit Kräften an den Fäden des Energie- & Umwelt- Knotens ziehen. Dieser wird täglich dichter und erscheint in Verbindung mit der medialen Polarisierung schon unauflösbar. Ich sehe hier – den Erkenntnissen meiner jahrzehntelangen Arbeit mit jungen Studenten folgend – den “Einzelnen“, der unabhängig von diesem Schauspiel (jetzt gottlob sichtbar zunehmend) damit beginnt, sich seine Koordinaten selbst zu bestimmen und dabei auf unabhängige Informationen zurückgreift. Die Frage, welchen Beitrag kann ich selbst zur Erreichung der Klimaschutzziele beitragen, nimmt (besonders auch bei jungen Leuten) rapide zu.
In den letzten Monaten gewinnen öffentlich zugängliche “Künstliche Intelligenz Chats” an Bedeutung. Das über die Jahrzehnte mit Büchern, Studien und dann mit Google mühsam zusammengetragene Wissen auf die Frage “Klimaneutralität und Autonomie, was soll ich tun?” kann jetzt aus KI-Chats gezogen werden. Um mit der rapide zunehmenden Verfügbarkeit von Informationen auch die KI-Treffsicherheit zu trainieren sind schlicht und einfach die Daten aus der sdp notwendig. Aus der eigenen Anwendung des sdp Wärmepumpen Monitorings in unserem Keller wissen wir, dass wir derzeit mit unserer Grundwasserwärmepumpe aus 1 kWh Strom “nur” knapp 3 kWh Wärme erzeugen. Diese Ausbeute können wir durch entsprechende Maßnahmen noch um mehr als 60% erhöhen und unseren Beitrag zum Ressourcen- und Klimabilanz maßgeblich verbessern.
Sustainable Data Platform:
Die sustainable data platform steht für ein nachweisbasiertes Bottom-Up Monitoring. Welche Bedeutung kann die sdp für eine erfolgreiche Energiestrategie haben?
Antwort:
Die Bedeutung der sdp ist – wie vorhin abgeleitet – entscheidend: Der “Einzelne“, der als Bedarfsträger, Konsument, Käufer, Arbeiter, Manager, Denker, Wähler u.s.w. tätig ist, braucht unabhängiges Feedback in Form von objektivierten Informationen und Daten.
Das nachweisbasierte Bottom-Up Monitoring der sustainable data platform ist die unabdingbare Grundlage für das verantwortungsvolle Handeln. Kann der “Einzelne” seine kleinen und großen Probleme unabhängig und faktenbasiert lösen und eine respektvolle Kommunikation im Sinne der gemeinsamen Ziele betreiben, dann denke ich ist uns allen, unserer Umwelt und dem Planeten geholfen.
Sustainable Data Platform:
Vielen Dank für Ihre Beantwortung der Fragen.